Avant Serie 104 Hochgeschwindigkeitszug in Spanien

Avant Serie 104 im Bahnhof "Madrid Puerta de Atocha". – 04.09.2013 © Andre Werske

Avant Serie 104 im Bahnhof "Madrid Puerta de Atocha". – 04.09.2013 © Andre Werske

Im Dezember 2004 rollten die ersten von insgesamt 20 Hochgeschwindigkeitszüge für den Kurz- und Mittelstreckeneinsatz auf Schnellfahrstrecken an. Die vierteiligen Garnituren basieren zwar auf dem Pendolino, dem Einsatzzweck entsprechend wurde jedoch auf die Neigetechnik verzichtet. Mit bis zu 250 Stundenkilometern befahren die Züge der Serie 104 die Schnellfahrstrecke südlich von Madrid nach Sevilla und Málaga.

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Erfordernis von Regional-Hochgeschwindigkeitszügen

Zum Erfolg der AVE-Hochgeschwindigkeitszüge trägt unter anderem die hohe Reisegeschwindigkeit bei. Entsprechend groß muss der Halteabstand zwischen den Bahnhöfen sein. Doch auch kleinere Städte entlang der Schnellfahrstrecken sollten an das Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen werden, denn diese zusätzlichen Kunden wollte sich die spanische Bahngesellschaft RENFE verständlicherweise nicht entgehen lassen. Ende der Neunziger dachte sie über eine weitere Zuggattung nach, die für den Kurz- und Mittelstreckeneinsatz tauglich wäre. Außerdem sollten die Fahrzeuge günstiger in der Anschaffung und je nach Passagieraufkommen flexibel erweiterbar sein. Mit diesen Rahmenbedingungen holte sich die RENFE bei den Bahnherstellern Angebote ein.

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Herstellung der Serie 104

Am 25. Mai 2001 bekam ein Konsortium aus Alstom und Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF) den Zuschlag, 20 vierteilige Regional-Hochgeschwindigkeitszüge „AVE 104“ für den Einsatz auf Schnellfahrstrecken zu konstruieren. Der Vertrag über 440 Millionen Euro schloss nicht nur die Herstellung des rollenden Materials ein, sondern auch die Instandhaltung der Züge für 14 Jahre. CAF selbst gibt in seiner Dokumentation an, dass der Vertragswert bei lediglich 228 Millionen Euro lag und die Wartung der Züge nur für 10 Jahre übernommen werden würde. Federführend war übrigens Alstom und stellte nicht nur die Antriebstechnik her, sondern war auch zu 50 Prozent für die Fertigung der mechanischen Teile zuständig. Die Triebwagenzüge wurden entsprechend den Forderungen der RENFE so weit es ging in Spanien gebaut.

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Technik der Serie 104

Natürlich sind die 20 neuen Züge der Serie 104 keine komplette Neuentwicklung. Sie basieren stattdessen auf dem italienischen Pendolino und sind damit Verwandte der Serie 490, die bereits in Spanien unter dem Markennamen „Alaris“ zwischen den Städten Madrid und Valencia pendelten. Doch das wichtigste Element der Pendolino-Familie fehlt der Serie 104: die Neigetechnik. Da Schnellfahrstrecken keine engen Kurvenradien aufweisen, wurde auf jegliche Wagenkastenneigung verzichtet. Dafür steigerte man die Motorenleistung und damit auch die Höchstgeschwindigkeit. Die 20 Garnituren sind für 270 Stundenkilometer ausgelegt. Gefeilt wurde auch an der Aerodynamik der Dachpartie, die nun eine einheitliche Höhe aufweist.

Jeder vierteilige Zug besteht aus zwei identischen Antriebseinheiten mit Stromabnehmer, Haupttransformator, Wechselrichter, Batterien sowie vier selbstbelüfteten Dreiphasen-Drehstrommotoren mit einer Leistung von jeweils 550 kW. In jedem Drehgestell wird nur eine Achse angetrieben, die andere Achse ist nicht motorisiert. Als mittlere Beschleunigung wird ein Wert von 0,72 Meter pro Quadratsekunde angegeben. Die Stromversorgung kommt aus der mit 25 kV 50 Hertz gespeisten Oberleitung. In der Serie 104 sind vier verschiedene Bremssysteme enthalten: eine elektrische rheostatische und eine Rekuperationsbremse, eine pneumatische und eine Feststellbremse. Die motorisierten Achsen weisen zwei Bremsscheiben auf, die Laufachsen deren drei. Der Bremsweg aus 250 Stundenkilometern soll nur 2800 Meter betragen. Die Serie 104 kommt mit allen in Spanien üblichen Signal- und Zugbeeinflussungssystemen zurecht. Auf Hochgeschwindigkeitsstrecken kommen entweder das europäische Zugsicherungssystem ERTMS Level 2 oder die Linienzugbeeinflussung LZB zum Einsatz. Parallel dazu ist das System ASFA für Geschwindigkeiten kleiner gleich 200 km/h installiert. Des Weiteren sind noch Überwachungs-, Steuerungs- und Diagnosesysteme integriert. Jede Garnitur kann bei hohem Fahrgastaufkommen in Doppel- oder Dreifachtraktion verkehren. Ebenso wäre es durch den verteilten Antrieb möglich, eine Garnitur um mehrere Wagen zu erweitern, ohne das Kraft- / Masseverhältnis zu beeinträchtigen.

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Fahrgastbereich

In jedem vierteiligen Zug stehen insgesamt 237 Sitzplätze zur Verfügung, die in zwei Wagenklassen aufgeteilt sind: Preferente (entspricht der ersten Klasse mit 1+2-Bestuhlung) und Turista (zweite Klasse, 2+2-Bestuhlung). Mit nur 34 Sitzplätzen ist der Anteil der ersten Klasse recht gering. Im Gegensatz zur Dokumentation von CAF gibt die Website von RENFE 31 Sitzplätze in der Preferente-Klasse an. Lediglich ein Platz ist für mobilitätseingeschränkte Personen reserviert. Eine Cafeteria bietet zumindest eine rudimentäre Gastronomie, wobei anzumerken ist, dass es sich ja um „Nahverkehrszüge“ handelt, mit entsprechend niedrigen Reisezeiten. Wie in jedem modernen Zug wurde ein Fahrgastinformationssystem installiert. Angesichts einer starken Handypräsenz wird das öffentliche Telefon im Zug wohl eher wenig frequentiert werden.

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Einsatz der Serie 104

Die Serie 104 ist auf Strecken mit einer Spurweite von 1435 Millimetern angewiesen. Daher ist der Einsatz auf die normalspurigen Schnellfahrstrecken beschränkt. Von Madrid aus bedienten die 20 Züge ab dem 29. Dezember 2004 zuerst die Schnellfahrstrecke über Córdoba nach Sevilla. Ein paar Tage später, am 4. Januar 2005 kam noch die Relation Madrid – Ciudad Real – Puertollano hinzu. Erst am 16. November des gleichen Jahres pendelten Züge der Serie 104 auch zwischen Madrid und Toledo. Dabei befahren die Züge die Schnellfahrstrecken nur abschnittsweise über eine maximale Länge von etwa 250 Kilometer. Obwohl die Serie 104 bei der Bestellung noch „AVE 104 Iris“ genannt wurde, entwarf RENFE einen neuen Markennamen: Avant. Daher laufen die Züge inzwischen offiziell unter dem Namen „Avant Serie 104“.

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Spaniens Schnellfahrstrecken-Netz

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Zweite Bestellung: Serie 114

Zwanzig Züge für den Regional-Hochgeschwindigkeitsverkehr reichten natürlich nicht aus, weswegen RENFE am 24. Februar 2004 beim gleichen Konsortium weitere 30 Garnituren bestellte. Noch innerhalb des gleichen Jahres wurde der Vertrag jedoch auf nur noch 13 vierteilige Einheiten gekürzt. Dabei handelt es sich um Hochgeschwindigkeitszüge der Serie 114, die in einem gesonderten Artikel beschrieben werden.

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Technische Daten:
Zug- / Baureihenbezeichnung:Avant Serie 104
Einsatzland:Spanien
Hersteller:Alstom, CAF
Anzahl der Züge:20 Züge
Zugtyp:Triebwagenzug
Anzahl der Endwagen:2 Endwagen
Anzahl der Mittelwagen:2 Mittelwagen
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:31 / 206 / --- (237 insg.)
Baujahre:2001–2004
Inbetriebnahme:29.12.2004
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):25 kV / 50 Hz
Zugleitsystem(e):ERTMS Level 2
LZB
ASFA 200
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:270 km/h
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:250 km/h
Motoren:Dreiphasen-Drehstrom-Asynchronmotoren
Antriebsleistung des Zuges:4.400 kW ( 8 x 550 kW )
Leistungsangaben im Detail:gemäß Website von RENFE: 4000 kW
Beschleunigung des Zuges:0,72 m/s²
Bremssystem(e):Rheostatische Bremse
Rekuperationsbremse
Pneumatische Scheibenbremse
Feststellbremse
Jakobsdrehgestelle:Nein
Neigetechnik:Nein
Zug fährt auch in Traktion:Ja
Radtyp:Monobloc, Typ "ORE S-1002"
Anzahl der Achsen / davon angetrieben:16 / 8
Achsformel:(1A)(A1)+(1A)(A1)+(1A)(A1)+(1A)(A1)
Federung:Schraubenfedern aus Stahl
Länge / Breite / Höhe der Endwagen:27.600 / 2920 / 4123 mm
Länge / Breite / Höhe der Mittelwagen:25.900 / 2920 / 4123 mm
Achslast (maximal):17 t
Leergewicht:221,5 t
Zuglänge:107,1 m

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Quellenangaben:

CAF: „Nuevo Tren Serie 104“, Material Rodante, Revista Vía Libre Nº 470
„‚Alaris‘ für Spanien“, Eisenbahn-Revue International, Ausgabe Juli 2001, Seite 324
Website: www.renfe.com/EN/viajeros/nuestros_trenes/avant104_ficha.html, abgerufen am 19.09.2013